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2 Produkte von 152 gesund: So lügen Discounter bei „gesunden“ Kinder-Lebensmitteln

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2 Produkte von 152 gesund: So lügen Discounter bei „gesunden“ Kinder-Lebensmitteln
Photo by Amit Lahav on Unsplash

„Gesunde Kinderlebensmittel“ bei Aldi Süd und Lidl: Marktcheck 2025 zeigt große Defizite

Im Januar 2023 kündigten die Discounter Aldi Süd und Lidl öffentlich an, ihre Kinderlebensmittel bis Ende 2025 an die Nährwertkriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anzupassen. Diese Kriterien definieren für verschiedene Produktgruppen klare Höchstwerte für zugesetzten Zucker, Fett, Salz und Süßungsmittel. Zudem sollte Werbung an Kinder für ungesunde Produkte eingestellt werden. Ziel war es, die Gestaltung der Produkte so zu verändern, dass sie gesünder und weniger attraktiv für Kinder sind – zumindest dann, wenn sie die WHO-Kriterien nicht erfüllen.


Der Marktcheck 2025 der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat im Herbst 2024 erneut einen Marktcheck durchgeführt, um den Fortschritt bei der Umsetzung dieser Versprechen zu bewerten. Insgesamt wurden 152 Kinderlebensmittel analysiert – darunter Produkte von Aldi Süd, Lidl und Markenherstellern. Bereits 2023 hatte die Verbraucherzentrale 123 Produkte überprüft. Der aktuelle Vergleich zeigt:

  • Nur zwei Produkte von Aldi Süd erfüllen inzwischen vollständig die WHO-Kriterien.

  • Bei Lidl gab es nur geringfügige Verbesserungen – keine vollständige WHO-Konformität.

  • Der Großteil der Produkte weist weiterhin zu hohe Mengen an Zucker, Fett oder Salz auf.


WHO-Nährwertprofil für Kinderlebensmittel

Das WHO-Nährwertprofil legt je nach Produktkategorie Grenzwerte für folgende Stoffe fest:

  • Gesamtzucker und zugesetzter Zucker

  • Gesamtfett und gesättigte Fettsäuren

  • Salz

  • Süßungsmittel

Beispiele für WHO-Höchstwerte (pro 100 g):

  • Frühstückscerealien: max. 12,5 g Zucker, 17 g Fett, 0,5 g Salz

  • Milchgetränke: max. 3 g Fett, kein zugesetzter Zucker, keine Süßstoffe

  • Kuchen & Kekse: max. 3 g Fett, 0,1 g Salz, kein Zuckerzusatz

  • Schokolade & Süßwaren: keine Werbung erlaubt, wenn Zucker oder Süßstoffe enthalten sind


Ergebnisse nach Produktkategorie (Auswahl)

1. Schokolade und Süßwaren

  • 49 Produkte geprüft

  • Keines erfüllt WHO-Kriterien

  • Alle enthalten zugesetzten Zucker, einige zusätzlich Süßstoffe

2. Kuchen und Kekse

  • 14 Produkte geprüft

  • Kein Produkt WHO-konform

  • Höchstwerte für Fett und Salz in fast allen Fällen überschritten

3. Salzige Snacks

  • 10 Produkte geprüft

  • Alle Produkte überschreiten den Salz-Höchstwert, viele auch mit Zuckerzusatz

4. Milchgetränke

  • 4 Produkte geprüft

  • Alle mit zugesetztem Zucker

  • Kein Produkt erfüllt die WHO-Vorgaben vollständig

5. Eis

  • 16 Produkte geprüft

  • Kein einziges Produkt WHO-konform

  • Ursache: Zuckerzusatz und bei milchhaltigem Eis auch zu hoher Fettgehalt

6. Frühstückscerealien

  • 13 Produkte geprüft

  • Zwar unter Fettgrenzwert, aber fast alle mit zu viel Zucker


Kinderoptik: Verpackungsdesign wurde kaum verändert

Die WHO-Kriterien gelten vor allem für Produkte, die sich mit ihrer Gestaltung direkt an Kinder richten. Die Verbraucherzentrale untersuchte daher auch die „Kinderoptik“:

  • Lidl: Kinderoptik bei 4 Produkten entfernt

  • Aldi: bei 10 Produkten entfernt

  • Markenprodukte: nur 2 Produkte angepasst

Fazit: Die meisten Produkte sind nach wie vor gezielt an Kinder gerichtet, mit bunten Figuren, Comic-Tieren oder kindgerechten Produktformen.


Veränderung der Nährwerte: Kaum Fortschritte

Zwar wurden bei rund einem Drittel der Produkte von Aldi und Lidl die Nährwerte verändert, doch nur in wenigen Fällen führte das zu einer tatsächlichen Verbesserung. Nur zwei Produkte – beide Joghurts von Aldi Süd – erfüllten 2024 die WHO-Kriterien vollständig.


Verbraucherzentrale fordert gesetzliche Regelung

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kommt in ihrer Analyse zu dem Schluss:

„Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht aus. Ohne gesetzliche Vorgaben wird sich wenig ändern.“

Bisher gibt es in Deutschland keine gesetzlichen Beschränkungen, die gezielt an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel regulieren. Ein entsprechender Gesetzesentwurf („Kinderlebensmittel-Werbegesetz“) wurde 2023 vom Bundesernährungsminister vorgelegt, jedoch bisher nicht verabschiedet.


10 zentrale Fakten aus dem Marktcheck 2025

  1. 152 Kinderlebensmittel wurden 2024 untersucht (Aldi, Lidl, Marken).

  2. Nur zwei Produkte (Joghurt von Aldi Süd) erfüllen die WHO-Kriterien vollständig.

  3. Bei der Mehrheit blieb die Kinderoptik unverändert.

  4. Schokolade, Süßwaren, Kuchen & Kekse und Eis sind weiterhin stark zuckerhaltig.

  5. Salzige Snacks überschreiten fast durchweg den Salz-Grenzwert.

  6. Frühstückscerealien häufig mit zu viel Zucker, trotz geringem Fettgehalt.

  7. Kein Produkt der Kategorien Säfte, Softdrinks oder Milchgetränke erfüllt die WHO-Kriterien.

  8. Designanpassungen ohne Rezepturänderung bleiben wirkungslos.

  9. Selbstverpflichtungen der Discounter greifen nicht.

  10. Die Verbraucherzentrale fordert verbindliche gesetzliche Regelungen.


Trotz öffentlichkeitswirksamer Ankündigungen von Aldi Süd und Lidl wurden die WHO-Vorgaben für gesunde Kinderlebensmittel bislang nur minimal umgesetzt. Die meisten Produkte enthalten weiterhin zu viel Zucker, Fett oder Salz. Veränderungen beschränken sich oft auf Verpackung und Werbung – ohne echte Verbesserung der Rezepturen. Der Marktcheck 2025 zeigt klar: Gesunde Kinderlebensmittel bleiben weiterhin ein ungelöstes Problem, solange keine gesetzliche Regulierung erfolgt.


Weitere Informationen:
www.verbraucherzentrale-bawue.de
www.rki.de – zur gesundheitlichen Bewertung von Zucker, Übergewicht und Adipositas bei Kindern.

Redaktion
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