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80 Jahre Kriegsende: Mehrheit sorgt sich um Demokratie und Frieden

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80 Jahre Kriegsende: Mehrheit sorgt sich um Demokratie und Frieden
Bild von Krissie auf Pixabay

Studie zeigt ambivalente Einstellungen zur Erinnerungskultur und aktuelle gesellschaftliche Spannungen

Zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs hat eine repräsentative Befragung von YouGov in Kooperation mit dem SINUS-Institut ergeben, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung aktuelle Entwicklungen mit den Ereignissen der 1930er- und 1940er-Jahre in Verbindung bringt. 60 Prozent der Befragten fühlen sich demnach an die Zeit vor der NS-Diktatur erinnert, und 43 Prozent halten eine Wiederholung autoritärer Herrschaft in Deutschland grundsätzlich für möglich.

Demokratie unter Druck – Sorgen auf beiden politischen Seiten

Knapp zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) äußern die Befürchtung, dass die Demokratie in Deutschland gefährdet sei. Dabei ist diese Sorge nicht auf ein bestimmtes politisches Lager beschränkt: Sowohl Anhänger linker als auch konservativer Parteien sehen die demokratische Ordnung unter Druck. Besonders häufig wurde eine Bedrohung von rechts wahrgenommen (62 Prozent), doch auch eine Gefahr von links wurde von 47 Prozent genannt.

Als Gründe für den verstärkten Zuspruch für radikale Parteien werden vor allem Unzufriedenheit mit der Regierung, die Flüchtlingspolitik und islamistische Anschläge in Deutschland genannt. Eine deutliche Mehrheit (77 Prozent) sieht in sozialen Medien einen Treiber für populistische und extreme Haltungen.

Friedenssicherung und Verteidigungsbereitschaft

Die Furcht vor einem möglichen Dritten Weltkrieg ist mit 59 Prozent weit verbreitet. Dennoch wäre nur eine Minderheit bereit, im Kriegsfall Deutschland militärisch zu verteidigen. Männer sind deutlich eher zu einer aktiven Verteidigung bereit als Frauen, und die Bereitschaft ist bei jüngeren Befragten höher als bei älteren.

Emotionen und Bewertung des Kriegsendes

Das Thema Zweiter Weltkrieg ruft bei vielen Befragten emotionale Reaktionen hervor: Am häufigsten genannt wurden Erschütterung (43 Prozent) und Bedrückung (36 Prozent). In der Bewertung des Kriegsendes überwiegt die Sichtweise auf den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung (45 Prozent), gefolgt von einer gemischten Wahrnehmung als Befreiung und Niederlage (27 Prozent). Die Hauptverantwortung für die Zerstörung wird mehrheitlich (75 Prozent) bei den Nationalsozialisten gesehen.

Spaltung in der Erinnerungskultur

Die Studie offenbart auch eine gespaltene Sicht auf die Erinnerungskultur in Deutschland. Während 34 Prozent finden, dass zu viel über die NS-Zeit gesprochen werde, vertreten 23 Prozent die gegenteilige Ansicht. 50 Prozent der Befragten lehnen einen Schlussstrich ab und betonen die Bedeutung einer dauerhaften Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

In der gesellschaftlichen Einordnung der Erinnerungskultur zeigen sich deutliche Unterschiede entlang von Wertehaltungen und Lebensstilen. Während das postmaterielle Milieu stark auf historische Aufarbeitung setzt, empfinden Menschen aus traditionelleren Bevölkerungsschichten die Erinnerung an die NS-Zeit eher als belastend.

Erinnerung zwischen öffentlichem Diskurs und privatem Alltag

Trotz der breiten öffentlichen Präsenz des Themas – 49 Prozent nehmen es im gesellschaftlichen Diskurs wahr – spielt es für nur 20 Prozent auch im persönlichen Alltag eine Rolle. Zwei Drittel der Befragten sehen die NS-Zeit weiterhin als prägend für das deutsche Selbstverständnis, jedoch nur ein Viertel erkennt darin eine Relevanz für das eigene Selbstbild.

Verantwortung und internationale Perspektiven

Eine Mehrheit (55 Prozent) sieht Deutschland in besonderer Verantwortung für den weltweiten Frieden. Gleichzeitig sind sich 88 Prozent einig, dass heutige Generationen nicht für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs verantwortlich gemacht werden sollten.

Ein Vergleich mit Österreich zeigt: In der österreichischen Bevölkerung ist die Bereitschaft zur historischen Aufarbeitung etwas ausgeprägter, allerdings teilen beide Länder ähnliche Sorgen hinsichtlich zukünftiger globaler Konflikte.

Methodik der Umfrage

Die Erhebung erfolgte online zwischen dem 21. und 24. März 2025 unter 2.196 Personen ab 18 Jahren. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Wohnbevölkerung.

Redaktion
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