Aus aller Welt

Anreizsetzung auf Gaming- und Streaming-Plattformen: Wie halten sie ihre User aktiv?

0
Anreizsetzung auf Gaming- und Streaming-Plattformen: Wie halten sie ihre User aktiv?
Foto von Sean Do auf Unsplash

Manche Menschen kaufen sich Fitnessgeräte und nutzen sie nie. Andere buchen Streaming-Abos oder laden Games herunter, nur um dann nie über das Tutorial hinauszukommen. Plattformbetreiber wissen das und genau deshalb fahren sie ein ganzes Arsenal an Tricks auf, damit Nutzer eben nicht abspringen, sondern regelmäßig zurückkommen, klicken, schauen und kaufen.

Wer sich fragt, wie Netflix, Spotify, Twitch oder auch Glücksspielanbieter es schaffen, ihre Communities dauerhaft bei Laune zu halten, stößt auf ein komplexes Zusammenspiel aus Psychologie, Technik und cleverer Monetarisierung.

Warum flexible Preismodelle den Einstieg erleichtern und Upgrades fördern

Das Erste, was Plattformen bieten, ist kein Feature. Es ist ein Versprechen, denn hier kann man erstmal kostenlos reinschnuppern. Der Probemonat ist das digitale „erstmal kosten, dann kaufen“. Netflix hat es vorgemacht, Spotify zog nach, viele kleinere Anbieter folgten. Der Zugang ist einfach, die Schwelle niedrig, der Nutzer schnell drin. Wer einmal merkt, wie bequem Streaming oder Gaming auf Knopfdruck funktioniert, bleibt oft länger als geplant, besonders wenn nach 30 Tagen sanft gefragt wird, ob man nicht einfach direkt Premium nutzen möchte.

Ein ähnliches Prinzip lässt sich auch in einer ganz anderen Ecke des Internets beobachten, so empfangen die besten Casinos online neue Spieler oft mit einem großzügigen Willkommenspaket. Freispiele hier, Bonusguthaben dort, manchmal sogar komplett ohne Einzahlung. Das Ziel ist dasselbe wie bei Netflix und Co.. Die Einstiegshürde soll gesenkt und ein erster Reiz gesetzt werden.

Noch raffinierter wird es mit werbefinanzierten Modellen. Spotify etwa bietet eine Free-Version mit Werbeunterbrechungen, die als lästig genug empfunden wird, um irgendwann das Upgrade auf werbefrei und HQ-Sound zu rechtfertigen. Selbst Netflix experimentiert inzwischen mit einem günstigeren Abo samt Werbung, das sich an preissensible Zielgruppen richtet.

Alle Angebote geben ein Gefühl von Wahlfreiheit, wirken aber so gestaltet, dass das mittlere oder höhere Modell besonders attraktiv erscheint. Psychologisch nennt sich das „Decoy-Effekt“. Wirtschaftlich ist dieser Effekt Gold wert.

Smarte Empfehlungen und personalisierte Inhalte als Schlüssel zur langfristigen Nutzerbindung

Ein gutes Produkt ist wichtig, aber ein personalisiertes ist besser. Wer auf Netflix landet, bekommt keine zufällige Film-Palette serviert. Stattdessen baut ein Algorithmus auf Basis des bisherigen Nutzerverhaltens eine Oberfläche, die wie für einen persönlich gemacht wirkt. Egal ob düstere Serien aus Skandinavien, spanisches Liebesdrama oder absurde Reality-Shows, alles ist da, alles auf den Nutzer zugeschnitten.

Auch Spotify spielt dieses Spiel hervorragend. Die „Discover Weekly“-Playlisten fühlen sich an wie von einem Freund zusammengestellt, der jeden musikalischen Ausrutscher gnädig ignoriert und trotzdem die nächste Lieblingsband kennt. Steam wiederum merkt sich, was man gekauft hat und worauf man klickt, was andere mit ähnlichem Geschmack spielen und welche Spiele dem eigenen Profil wohl gefallen könnten.

Was dahintersteckt, sind clevere Empfehlungssysteme, die auf Verhaltensdaten basieren. Sie sorgen dafür, dass kein Nutzer lange suchen muss, sondern sich im Idealfall sofort abgeholt fühlt. Das erhöht die Nutzungsdauer und reduziert die Abwanderungsrate. Wer sich verstanden fühlt, bleibt eben eher.

So fördern Plattformen soziale Bindung

Menschen sind Rudeltiere. Selbst im digitalen Bereich. Wer Twitch öffnet, sieht neben dem Streamer selbst auch aktive Chats, Abzeichen, Insider-Witze und eine Menge Herz-Emotes. Die Plattform lebt von dem Gefühl, live dabei zu sein und gleichzeitig mit Gleichgesinnten zu interagieren. Wer regelmäßig zuschaut, wird mit Emotes, Badges, besonderen Rechten im Chat oder durch Erwähnungen durch den Streamer selbst belohnt. Das erzeugt Nähe, Status und Zugehörigkeit zu einer Gruppe, wenn auch nicht im echten Leben.

Auch Steam versteht es, soziale Mechanismen zu nutzen. Freunde können hinzugefügt, Gruppen gegründet und Diskussionen geführt werden. Erfolge werden geteilt, Screenshots gepostet, Kommentare geschrieben. Selbst Spotify erlaubt gemeinsame Playlists, sodass Musik zu einem sozialen Erlebnis wird. Die Plattformen schaffen damit einen Raum, in dem Nutzer mit dem Inhalt interagieren und sich mit anderen Nutzern verbinden.

Wie spielerische Mechaniken Nutzer motivieren, zurückzukehren

Tägliche Belohnungen, Fortschrittsbalken, Level-Ups. Das klingt nach Videospiel, ist aber längst Standard auf vielen Plattformen. Gamification ist das Zauberwort und die Mechaniken dahinter wirken auch außerhalb von klassischen Games. Steam zum Beispiel vergibt Erfolge, Abzeichen und Sammelkarten, die zum Weiterspielen oder Sammeln motivieren. Twitch belohnt kontinuierliches Zuschauen mit Punkten und Emotes. Selbst Spotify experimentiert mit Rückblick-Formaten wie „Wrapped“, das auf charmante Weise Nutzungsdaten in Erfolge verwandelt.

Wie steuern In-Game-Käufe und Boni das Verhalten?

Kostenlose Spiele sind nur auf den ersten Blick kostenlos. Wer einmal in einem Mobile Game festhängt, weil ihm die richtigen Ressourcen fehlen, wird schnell auf das Icon mit der Kreditkarte tippen. In-Game-Käufe bieten Abkürzungen und Exklusivität, zum Beispiel mit kosmetischen Items, speziellen Skins, zeitlich begrenzten Angeboten und das funktioniert. Nicht selten investieren Spieler mehr in ein „Free-to-Play“-Game als in einen klassischen Vollpreistitel.

Auch Echtgeldanbieter nutzen die Macht von Boni. Wer einzahlt, bekommt oft extra Guthaben oder Freispiele. Cashback-Programme sorgen dafür, dass sich Verluste nicht ganz so schmerzhaft anfühlen. Personalisierte Angebote, zugeschnitten auf Spielverhalten oder Einsatzhöhe, verstärken diesen Effekt. Wer etwas geschenkt bekommt, fühlt sich wertgeschätzt und wer regelmäßig kleine Vorteile nutzt, kehrt auch regelmäßig zurück.

Ein ökonomisches Spannungsfeld

So paradox es klingt, viel Nutzung kann für Streaming-Plattformen teuer werden. Denn mehr Streaming bedeutet höhere Serverkosten, mehr Bandbreite, mehr Lizenzgebühren für Inhalte. Während Gamer ihre gekauften Spiele lokal installieren, laufen Filme und Serien über Rechenzentren, die rund um die Uhr rödeln.

Deshalb kalkulieren viele Anbieter mit Durchschnittsnutzern. Wer täglich acht Stunden bingt, ist betriebswirtschaftlich betrachtet kein Wunschkunde. Trotzdem müssen Plattformen alles daran setzen, Nutzer zu binden, denn die Konkurrenz schläft nicht. Die Lösung sind werbefinanzierte Modelle, die selbst Vielnutzer rentabel machen. Oder regionale Preisanpassungen, bei denen sich die Zahlungsbereitschaft besser mit dem Angebot deckt.

Gleichzeitig wird auf Qualität gesetzt. Netflix Originals sind eine Möglichkeit, Lizenzkosten zu umgehen und exklusive Inhalte zu schaffen, die Nutzer nicht so schnell kündigen lassen.

Was Streaming- und Gaming-Plattformen voneinander lernen

Früher war Streaming passiv, Gaming aktiv. Heute verschwimmen die Grenzen. Twitch bringt Gaming ins Live-Fernsehen. Netflix experimentiert mit interaktiven Serien, die den Nutzer Entscheidungen treffen lassen. Battle Passes erinnern an Serien-Abos, nur dass es statt Folgen neue Spielinhalte gibt.

Spotify zeigt mit seinen Jahresrückblicken, wie Daten emotionalisiert werden können. Diese Idee wird mittlerweile auch in andere Bereiche übertragen. Selbst Glücksspielanbieter arbeiten mit Events, Ranglisten und Fortschrittssystemen, die stark an Games erinnern. Es entsteht ein hybrides Nutzererlebnis, das mehr Inhalte liefert, genauso wie Zugehörigkeit, Herausforderung und Bestätigung.

Erfolgreiche Plattformen setzen auf Psychologie, Technik und Struktur

Ob Musikstreaming, Videoplattform oder Glücksspielseite, alle kämpfen um Aufmerksamkeit und sie nutzen ähnliche Werkzeuge wie personalisierte Inhalte, soziale Funktionen, Belohnungssysteme, clevere Monetarisierung. Wer einmal drin ist, soll bleiben. Wer bleibt, soll mehr nutzen und wer mehr nutzt, wird mit kleinen Aufmerksamkeiten bei der Stange gehalten.

Redaktion
Senden Sie uns Ihren Beitrag oder Veranstaltungshinweis mit Klick auf den Button gerne zu.

Rückmeldung an den Autor?

Fehler entdeckt? Feedback? Jederzeit gerne per Mail oder telefonisch.

Das könnte Sie auch interessieren