„Wir sind ein Theater, das im Gestalten von künstlerischer Begegnung Verantwortung für unser gesellschaftliches Miteinander übernimmt.“
Am Freitag, 16. Juni 2023, haben Wolf E. Rahlfs, der designierte Intendant der Badischen Landesbühne, Gina Jasmina Wannenwetsch, die designierte Leiterin des Jungen Theaters, André Becker, designierter Chefdramaturg und Dramaturgin Fränzi Spengler, auf einer Pressekonferenz die Pläne für ihre erste Spielzeit 2023/24 präsentiert.
Rahlfs – die letzten fünf Jahre geschäftsführender Intendant am Theater der Altmark Sachsen-Anhalt Nord in Stendal – ist kein Unbekannter für das Bruchsaler Publikum.
Seit 2003 war er als Schauspieler und Regisseur oft und gerne an der Badischen Landesbühne tätig und freut sich nun, das Theater mit Beginn der neuen Spielzeit als Intendant zu leiten.
Das Ziel seiner Arbeit in Bruchsal und im Spielgebiet der Badischen Landesbühne formulierte er so: „Wir sind ein Theater, das im Gestalten von künstlerischer Begegnung Verantwortung für unser gesellschaftliches Miteinander übernimmt.“ Die Badische Landesbühne sei nicht nur ein Landestheater, sondern gewissermaßen ein mobiles Stadttheater für 16 Kommunen und 4 Landkreise, die sich von Bruchsal/Bretten im Südwesten bis Tauberbischofsheim/Wertheim im Nordosten erstrecken, und in denen mehr als 300.000 Menschen leben. Die Gegenwart reflektieren und hinterfragen, allen Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen, Partizipation und Teilhabe ins gesamte Spielgebiet zu tragen, das sei ihm und der Badischen Landesbühne Herzensangelegenheit und Ziel der gemeinsamen Arbeit.
Begleitet wird der Neustart von einem komplett überarbeiteten Auftritt der Badischen Landesbühne, vom neuen Logo bis zur neuen Webseite, die Mitte August verfügbar sein wird. Auch die Präsenz in den sozialen Medien wird deutlich ausgebaut.
Die Spielzeit 2023/24 eröffnet das Junge Theater mit der Produktion „Dreier steht Kopf“ von Carsten Brandau (Premiere 15. September 2023) und der deutschsprachigen Erstaufführung „Rishi“ von Kees Roorda (Premiere 16. September 2023): „Dreier steht Kopf“ ist eine humorvolle Geschichte für Menschen ab 4 Jahren über Regeln, die mit Mut, Fantasie und Sprache auf den Kopf gestellt werden. Das Jugendstück „Rishi“ erzählt – nach einer wahren Geschichte – von einem jungen Mann mit Migrationshintergrund, der von einem Polizisten angeschossen und tödlich verwundet wird. War der Einsatz notwendig, unverhältnismäßig oder rassistisch motiviert? Wie bei einer Anhörung vor Gericht kommen verschiedene Beteiligte zu Wort. Nur einer schweigt: der tote Rishi.
Das Familienstück zur Weihnachtszeit ist „Gespensterjäger auf eisiger Spur“ nach dem Kinderbuch von Cornelia Funke (Premiere 3. November 2023): Tom, Frau Kümmelsaft und Hugo sind ein unschlagbares Gespensterjäger-Team. Auf eisiger Spur verfolgen sie einen gefährlich-gefräßigen Gegner. Eine fesselnde Theateraufführung zur dunklen Winterzeit.
Es folgen die Klassenzimmerstücke „Ausnahmezustand“ (Premiere 10. November 2023) sowie „Die Eisbärin“, eine Übernahme der Erzgebirgischen Theater- und Orchester GmbH, Annaberg-Buchholz (Premiere 12. Januar 2024): „Ausnahmezustand“ von Christina Kettering ist ein Stück, das die Grenzen zwischen politischem Aktivismus und Radikalität beleuchtet. Eva Rottmanns „Eisbärin“ erzählt von Selbstdarstellungszwang, Mobbing und dem Verlust der eigenen Identität.
Ein leichtes Stück über ein schweres Thema ist „Das Leben ist ein Wunschkonzert“ (Premiere 21. Januar 2024): Gewitzt, einfühlsam und aus dem Blickwinkel von vier Schnecken gelingt es Esther Becker, sich dem Thema Alkoholismus in der Familie anzunähern.
Das Sommertheaterstück für die ganze Familie ist ab Mai 2024 „Der kleine Ritter Trenk“ nach dem Kinderbuch von Kirsten Boie. Bauernjunge Trenk lebt im Mittelalter. Seine Eltern schuften viel und kommen doch auf keinen grünen Zweig. Das findet er ungerecht! Er will Ritter werden und die Welt verändern. Eine abenteuerliche Geschichte über Freundschaft, Träume und Mut.
Den Abendspielplan eröffnet am 21. September 2023 das Musical „Woyzeck“ nach dem Stück von Georg Büchner. Das Musikerpaar Tom Waits und Kathleen Brennan hat zusammen mit Robert Wilson aus Büchners sozialkritischem Dramenfragment ein schaurig-schönes Musical geschaffen, das tief ins Innere der Figuren blicken lässt. „Woyzeck“ von Georg Bücher ist im Schuljahr 2023/24 Sternchenthema in Baden-Württemberg.
Am 23. September folgt die Komödie „Die Niere“ von Stefan Vögel. Hier geht es nicht nur um eine Organtransplantation, sondern um allerlei Herzensangelegenheiten und jede Menge Geheimnisse. Eine bissige Komödie, die an die Nieren und an die Lachmuskeln geht!
In der Vorweihnachtszeit und darüber hinaus steht die Komödie „Schöne Bescherungen“ von Alan Ayckbourn auf dem Spielplan, Premiere ist am 16. November 2023: Die Erwartungen an Weihnachten sind immer wieder zu groß. Alle Jahre kommt man zusammen, um in Harmonie das Fest der Liebe zu feiern. Und alle Jahre misslingt das katastrophal! Turbulent zerpflückt der „Meister der Farce“ Alan Ayckbourn den festtäglichen Wahnsinn mit vielschichtigen Figuren und britischem Humor.
Das Schauspiel „Transit“ nach dem eindrücklichen Roman von Anna Seghers (Premiere 18. November 2023) wird von Kathrin Mayr für die Badische Landesbühne in eine Stückfassung übertragen. Marseille 1940: Tausende von Menschen sind auf der Flucht vor dem NS-Regime und warten auf ihre Transitpapiere. Eine emotionale Achterbahnfahrt für drei Darsteller*innen.
Das Familienepos „Das Ende des Regens“ von Andrew Bovell hat am 1. Februar 2024 Premiere: Väter verschwinden. Mütter schweigen. Die Kinder leben in einem Zustand des Verlorenseins. Bovell entfaltet die Geschichte zweier Familien. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen zu einem packenden Gesellschaftsepos, das sich über vier Generationen und zwei Kontinente erstreckt.
„Der Reichsbürger“ von Annalena und Konstantin Küspert (Premiere 3. Februar 2024) ist eine Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Lange wurden Reichsbürger, die die Rechtmäßigkeit der BRD nicht anerkennen, als harmlose Spinner abgetan. Ihr Gedankengut und ihre Gewalttaten sind aber längst gefährlich für die Demokratie. Annalena und Konstantin Küsperts Monolog fragt nach den Hintergründen dieser Bewegung.
„Vergesst ihn nicht!“, rief Ludwig Marums Frau im Jahr 1934 den Trauernden beim Begräbnis des Politikers in Karlsruhe zu. Im Dokumentartheater von Hajo Kurzenberger „Der Mann des Rechts: Ludwig Marum“ wird der kämpferische Politiker und liebevolle Familienvater vergegenwärtigt, ebenso wie die Machenschaften seiner Nazi-Mörder. Eine Zusammenarbeit von Jungem Theater und Abendspielplan.
Im Sommer 2024 zeigt die Badische Landesbühne Carlo Goldonis Komödie „Mirandolina“ auf den Freilichtbühnen im Spielgebiet (Premiere 12. Juni 2024): Ob Kellner, Baron, Graf oder frauenhassender Ritter – keiner ist vor dem Charme der schönen und schlagfertigen Wirtin Mirandolina gefeit. Geschickt nutzt sie das Werben der Männer zu ihrem Vorteil. Eine temperamentvolle Komödie unter freiem Himmel.
Ein Wolf E. Rahlfs besonders am Herzen liegendes Projekt ist „Judas“ von Lot Vekemans, eine Übernahme des Theaters der Altmark Stendal – Landestheater Sachsen-Anhalt Nord. Judas: Ein Mann, dessen Name für Verrat steht. Doch wäre ohne seinen Kuss das Christentum zur Weltreligion geworden? Spekulationen über seine Motive gibt es viele. Nun kommt Judas selbst zu Wort. Die Badische Landesbühne zeigt den Monolog ab Frühjahr 2024 in Kirchenräumen im ganzen Spielgebiet.
Neben dem Abendspielplan und dem Jungen Theater wird ab der kommenden Spielzeit auch das Bürgertheater mit drei Spielclubs wiederbelebt: „Theaterbande“ (für alle von 8 bis 12 Jahren), „Junge Szene“ (von 13 bis 18 Jahren) und „vox populi“, das Bürgertheater für alle Ü18.
Ergänzt wird das Angebot durch die Einführungen „Salut“ und die Nachgespräche „Salon“, die für ausgewählte Produktionen geplant sind. Als Pilotprojekt werden zudem je zwei Vorstellungen von „Die Niere“ und „Das Leben ist ein Wunschkonzert“ live in Deutsche Gebärdensprache übersetzt. Vorstellungen am Sonntagnachmittag für Familien, die Lesereihe „Märchenland“ für Kinder und Erwachsene und das Format „Alle meine Bücher“ sind neben den Inszenierungsfrühstücken und den Theaterführungen weitere Extras, die ab 2023/24 Publikum anlocken werden.
Wie gewohnt bietet die Badische Landesbühne außerdem ein umfangreiches theaterpädagogisches Programm, das sich an alle Schulen des Spielgebietes und darüber hinaus an alle theaterbegeisterten Menschen richtet.
Als Letztes: Die Badische Landesbühne freut sich darauf, am ersten Mai-Wochenende 2024 einer von fünf Austragungsorten der 20. Landesbühnentage zu sein.
Quelle: Martina Illinger
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