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SPD organisiert Notfall-Gipfel wegen drohender Praxisschließungen

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SPD organisiert Notfall-Gipfel wegen drohender Praxisschließungen
Jan-Peter Röderer MdL (l.) überreicht einen Ordner voller Unterschriften, Birgit Biber (r.) hat für die KVBW-Vertreterin Dr. Reinhardt (Mitte) einen USB-Stick dabei, weil das Papier zu viel und zu schwer zum Transportieren wäre (Foto: Daniel Hamers)

Mehr als 200 Personen aus ganz BW im Landtag

Eberbach/Stuttgart. Die Einladung des Wahlkreisabgeordneten Jan-Peter Röderer zum Notfallgipfel führte dazu, dass Menschen in dessen Wahlkreisbüro nachfragten, ob sie daran teilnehmen dürften und zur Frage, „ob denn noch etwas zu retten sei“.

Der erste Punkt war schnell geklärt: „ja, ich freue mich, wenn Sie am Notfallgipfel der SPD-Landtagsfraktion zur Rettung der Notfallpraxen teilnehmen“ antwortete Jan-Peter Röderer und organisierte die gemeinsame Anfahrt. Zum zweiten Punkt verwies der Eberbacher Abgeordnete auf Unterschriftensammlungen und Veranstaltungen, die zum Ziel haben, die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) noch zu revidieren. „Fürs Erste muss ein Moratorium her, das uns die nötige Zeit gibt, gemeinsam zu planen, was notwendig ist“ so Röderer. „Erst nach dieser von uns als SPD geforderten Aussetzung der Schließungen kann man verantwortlich darüber entscheiden, wo Notfallpraxen unbedingt nötig sind und wo möglicherweise die Strukturen einer Notfallpraxis auch durch andere Einrichtungen und Maßnahmen ersetzt werden können“.

In seiner Begrüßung stellte der Landesvorsitzende der SPD und Vorsitzende seiner Landtagsfraktion, Andreas Stoch, fest, dass „heute der Souverän auf den Abgeordnetenplätzen sitzt“, während die zahlreich anwesenden gewählten Abgeordneten auf den Regierungsplätzen Platz genommen hatten.

Top besetztes Podium

In ihren Statements kamen dann zunächst die prominenten Teilnehmer des Podiums zu Wort. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Florian Wahl führte aus, dass man bedenken müsse, dass die Versicherten Anspruch auf angemessene Leistungen hätten, die sie mit ihren Beiträgen schließlich auch selbst finanzieren. Zudem sei es dramatisch, wenn durch das Vorgehen der KVBW unnötig Vertrauen verloren gehe. „Eine frühzeitige Beteiligung aller Zuständigen hätte zu einem besseren Ergebnis geführt und gleichzeitig Vertrauen geschaffen statt es zu zerstören“ ist Wahl überzeugt.

Prof. Dr. Andreas Pitz, Professor für Sozialrecht, Gesundheitsrecht und Non-Profit Recht an der TH Mannheim, verwies ebenfalls darauf, dass es nicht um Erwartungen oder Hoffnungen, sondern um Ansprüche der Versicherten gehe, wenn medizinische Versorgung organisiert wird. Der Verweis auf eine zu geringe Kompetenz der Patienten im Umgang mit dem Gesundheitssystem, dürfe niemals als Ausrede gelten, Dinge nicht zu tun. Bei wegfallenden Strukturen müssten im Übrigen unbedingt die bestehenden weiter optimiert werden. Die Leitstellen seien dabei durchaus hilfreich.

Dr. Doris Reinhardt, von allen Vorrednern mitunter teils harsch kritisiert für das von ihr mitzuverantwortende Vorgehen der KVBW, führte dann aus, warum die Schließungen aus ihrer Sicht notwendig seien. „Solange man in 45 Minuten eine Notfallpraxis erreicht, muss das ausreichen. Mehr können wir nicht leisten ohne die ambulante Versorgung weiter zu gefährden. Deren Sicherstellungsauftrag ist unser oberstes Gebot“ sieht sie Hausärzte und Notfallpraxen als Alternativen und nicht als einander ergänzende Strukturen. Diese Regelversorgung zu gewährleisten gelinge schon kaum noch – da könne man nicht parallel Notfallstrukturen im gewohnten Maß aufrechterhalten. So müsse künftig eine Notfallpraxis pro Landkreis ausreichen. Die Kritik daran, dass das der sehr unterschiedlichen Situation vor Ort nicht gerecht werde, ließ sie nicht gelten. Das sei eben künftig so, mehr als das mitzuteilen könne sie nun auch nicht mehr machen.

Martin Löffler, Bürgermeister der Stadt Müllheim, empörte sich vor allem darüber, „dass man nicht anderthalb Stunden vor einer Pressekonferenz Dinge zur Kenntnis bekommen könne als betroffene Kommune. So geht man einfach nicht miteinander um!“. Dass künftig ein Drittel aller Notfallpraxen geschlossen werden sollen, sieht er dabei als so drastisch, dass man „es ordentlich, mit Augenmaß, unter Berücksichtigung aller Interessen und mit Zeit und Ruhe“ planen und organisieren müsse.

Dr. Stefan Kühner, Chefarzt der Klinik für interdisziplinäre Notfallmedizin an den Kreiskliniken Reutlingen, wies darauf hin, dass die notwendige Krankenhausreform dazu führe, die Krankenhauslandschaft zukunftsfest zu machen und für eine flächendeckende Versorgung zu sorgen. Aber während dieses laufenden Prozesses nun 18 Notfallpraxen zu schließen, sei ein großes Problem. Hier müsse man dringend eine gemeinsame Steuerung hinbekommen. Dass die KVBW dies alleine mache, sei offensichtlich dafür mitverantwortlich, was nun als Ergebnis umgesetzt werden solle.

Stand Dr. Reinhardt in der Expertenrunde erkennbar unter Druck und war oftmals mit ihrer Überzeugung alleine, waren sich doch alle Teilnehmer der Runde einig, dass Telemedizin und Notfallnummern wie die 116117, hilfreich seien. Bis auf die KVBW-Vertreterin betonten aber alle, dass man sich davon keineswegs die Lösung für die bevorstehende Versorgungslücke durch möglicherweise wegfallende Notfallpraxen erwarten dürfe.

Zum Abschluss der Beiträge des Podiums wies Prof. Pitz aus wissenschaftlicher Sicht darauf hin, dass das Sozialministerium von Manfred Lucha als Aufsichtsbehörde dafür verantwortlich sei, zu entscheiden, ob die Schließungen verhältnismäßig seien. Die seiner Ansicht nach „schräge Behauptung“, die ambulante Versorgung hänge von den geplanten Schließungen ab, hielt er für nicht haltbar.

In den Beiträgen aus dem Publikum wurde vor allem die Haltung von Dr. Reinhardt kritisiert, die Schließungspläne als KVBW im Alleingang ohne angemessene Rücksprache mit den Betroffenen vorzunehmen. Die Hoffnung, dass durch das geplante Notfallgesetz des Bundes, das derzeit noch von Bayern und Baden-Württemberg aufgehalten wird, die Situation sich verbessert, sorgte zumindest für etwas Optimismus.

Mehrere Bürgermeister waren in den Landtag gekommen, um ihrer Not Ausdruck zu verleihen, was ihren Kommunen drohe, wenn die Pläne wirklich so umgesetzt würden wie derzeit angekündigt. Der dringende Appell an den zuständigen Minister Lucha, endlich einzuschreiten und seine Aufsicht wahrzunehmen, war dabei mehrfach zu hören.

Zuletzt ging es noch um rechtliche Aspekte: zum einen müsse gerichtlich geklärt werden, ob eine rechtzeitige und ausreichende Beteiligung der Kommunen notwendig gewesen wäre und somit die Schließungen möglicherweise nicht haltbar sind. Zum anderen seien auch Klagen zu erwarten, die die Frage aufwerfen könnten, „ob in Baden-Württemberg für das gleiche über Beiträge bezahlte Geld wie in anderen Bundesländern auch die gleiche Leistung zu erwarten ist“, was angesichts der drohenden Schließungen fraglich scheint. Auch hier ging wieder die Frage in Richtung des nicht anwesenden Grünen-Ministers Manfred Lucha, ob er gedenke, zumindest als Rechtsaufsicht aktiv zu werden.

In ihrem Schlußwort dankte Dr. Dorothea Kliche-Behnke, die in der SPD-Landtagsfraktion die Sozialpolitik verantwortet, allen anwesenden Podiumsteilnehmern und Gästen dafür, nach Stuttgart gekommen zu sein. Sie zeigte sich kämpferisch, dass gegen den überwältigenden Wunsch der Bevölkerung nicht so ohne Weiteres ein Drittel aller Notfallpraxen im Land geschlossen würden.

Die aus Eberbach angereiste Birgit Biber, Initiatorin einer Petition zum Erhalt der Notfallpraxen, überreichte dann wie der Wahlkreisabgeordnete Jan-Peter Röderer, noch tausende von Unterschriften an Dr. Reinhardt. Röderer hatte schon einmal einen ganzen Ordner mit Unterschriften überreicht und ließ keinen Zweifel daran, sich auch weiterhin für die Notfallversorgung im Land einzusetzen.

Was die überaus erfolgreiche Unterschriftensammlung wert ist, wird sich zeigen müssen. Ist es doch so, dass die KV sich uneinsichtig zeigt und der zuständige Minister Lucha von seiner Dienstaufsicht keinen Gebrauch macht

Wer sich durch seine Unterschrift oder weitere Aktionsmöglichkeiten durch das breite Bündnis, das sich in Eberbach gegründet hat, um die Schließungspläne zu stoppen, Kontakt sucht, kann sich an Röderers Eberbacher Wahlkreisbüro wenden. „Hier koordinieren und planen wir, wer wo am besten helfen kann, um die drohende Schließung abzuwenden“ so Röderer.

Redaktion
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