Gozo, die kleinere Schwesterinsel Maltas, hat sich als eines der kompaktesten und zugleich vielfältigsten Ziele für Wracktauchen im Mittelmeerraum etabliert. Dank geologischer Gegebenheiten, kristallklarem Wasser und staatlich unterstützten Programmen zur Schaffung künstlicher Riffe bietet Gozo Tauchern Zugang zu mehreren versenkten Schiffen – allesamt in kurzer Distanz und unter optimalen Bedingungen erreichbar. Im Gegensatz zu größeren Tauchzielen, die aufwändige Anfahrten und Tieftauchgänge erfordern, überzeugt Gozo mit hochwertigem, fotogenem und teils technisch anspruchsvollem Wracktauchen bei gleichzeitig einfacher Zugänglichkeit.
Warum Gozo ein Paradies für Wracktaucher ist
Die Topografie von Gozo umfasst steile Unterwasserabgründe, natürliche Riffwände und geschützte Buchten – ideale Voraussetzungen für gezielte Wrackplatzierungen und sicheres Tauchen. Die Gewässer rund um die Insel bieten Sichtweiten zwischen 20 und 40 Metern, kaum Strömung und ruhige Oberflächenbedingungen, insbesondere im Süden und Südosten bei Xatt l-Aħmar.
Viele der Wracks sind direkt vom Ufer aus oder innerhalb von 10 bis 15 Minuten per Boot (RIB) erreichbar. Diese Nähe erlaubt mehrere Tauchgänge pro Tag ohne lange Oberflächenpausen oder aufwändige Logistik.
Gozo verfügt über eine exzellente Tauchinfrastruktur. Über ein Dutzend Tauchzentren bieten komplette Unterstützung für Freizeit- und technische Taucher – von Hochdruck-Luftfüllungen über Trimix-Mischungen, Ausrüstungsverleih bis hin zu erfahrenen Guides. Nitrox ist weit verbreitet, ebenso wie spezialisierte Services für technische Taucher in Marsalforn, Xlendi und am Hafen von Mgarr.
Die Geschichte künstlicher und historischer Wracks vor Gozo
Maltas Programm für künstliche Riffe wurde in den 1990er Jahren gestartet, um sowohl den Tauchtourismus zu fördern als auch neue Lebensräume unter Wasser zu schaffen. Gozo trägt dazu mit mehreren bewusst versenkten Schiffen bei, die speziell für sicheres Tauchen vorbereitet wurden – ohne Gefahrenstoffe, mit entfernten Türen und entschärften scharfen Kanten.
Den Anfang machte 1999 die MV Xlendi. Es folgten 2006 die MV Cominoland und die MV Karwela, beide bei Xatt l-Aħmar versenkt. Die Versenkungen erfolgten unter kontrollierten Bedingungen, um optimale Lagen, gute Lichtverhältnisse und Strömungsschutz zu gewährleisten. Mittlerweile haben sich diese Wracks zu gut etablierten Riffen entwickelt und sind beliebte Trainingsplätze für technische Ausbildung.
Die besten Wracktauchplätze auf Gozo
MV Karwela (Tiefe: 36 m)
Die Karwela, ein ehemaliges Passagierschiff, wurde 2006 gezielt versenkt. Sie ist rund 50 Meter lang und liegt aufrecht auf sandigem Grund. Das Deck beginnt bei 30 Metern, der Kiel liegt auf 36 Metern – ideal für Advanced Open Water Diver.
Berühmt ist die Karwela für ihre offenen Korridore, das fotogene Treppenhaus und die lichtdurchflutete Brücke. Da das Schiff vor der Versenkung sorgfältig vorbereitet wurde, sind einfache Penetrationen möglich – mit Reel und guter Tarierung ein sicheres Abenteuer.
MV Cominoland (Tiefe: 35 m)
Unweit der Karwela liegt die Cominoland, ein kleineres Fährschiff mit erhaltenem Propeller und gut zugänglichem Maschinenraum. Aufgrund der geringen Tiefe eignet sich das Wrack für längere Grundzeiten und erste Erfahrungen im technischen Bereich.
Die engen Innenräume machen sie zum idealen Trainingsort für Einsteiger in Wrack- oder Tec-Tauchen.
MV Xlendi (Tiefe: 42 m)
Die Xlendi, 1999 versenkt, stellte sich während des Sinkvorgangs auf den Kopf. Das Wrack liegt nun kopfüber in 42 Metern Tiefe und ist nur für erfahrene Trimix-Taucher oder technische Fortgeschrittene geeignet.
Durch die umgekehrte Lage ist die Orientierung anspruchsvoll. Silt-outs, scharfe Strukturen und enge Passagen machen Penetrationen riskant – Tauchgänge hier sollten ausschließlich mit technischer Ausbildung erfolgen.
Zusatz: Patrouillenboot P31 (Comino)
Zwar liegt die P31 näher an Comino, ist jedoch häufig Teil von Gozo-Tauchpaketen. Das Wrack liegt in nur 20 Metern Tiefe, mit hoher Sichtweite und offenen Bereichen – ideal für Wrackkurse für Einsteiger.
Was das Wracktauchen auf Gozo einzigartig macht
Die hohe Konzentration an Wracks in kurzer Distanz unterscheidet Gozo von anderen Tauchregionen. Tauchgänge zu mehreren Wracks an einem Tag sind problemlos möglich, ohne große Dekobelastung oder aufwändige Bootslogistik.
Schwache Strömungen, besonders bei Xatt l-Aħmar, bieten perfekte Bedingungen für sichere Penetrationen. Auch der Übergang vom Freizeit- zum technischen Tauchen ist einfach: viele Tauchbasen bieten abgestufte Kurse und Ausrüstung für Twinset, Sidemount und Dekogase an.
Die gezielt gewählte Lage der Wracks sorgt für maximale Lichtdurchflutung – ideal für natürliche Lichtfotografie. Einige Anbieter organisieren auch Nachttauchgänge, bei denen Biolumineszenz und nachtaktive Arten beobachtet werden können.
Meeresleben und Ökosysteme rund um die Wracks
Obwohl künstlich geschaffen, sind Gozos Wracks heute blühende Lebensräume. Muränen, Oktopusse, Kardinalfische, Skorpionsfische und Brachsen gehören zur Standardfauna. Schwämme, Algen und Weichkorallen bedecken die Außenstrukturen.
Saisonal tauchen Barrakudas, Zackenbarsche und Thunfische auf. Die Nähe zu Riffwänden und nährstoffreichen Strömungen sorgt für vielfältige Planktonkonzentrationen und fördert Biodiversität. Die Wassertemperaturen liegen zwischen 15 °C (Winter) und 26 °C (Spätsommer) – optimal für temperierte Arten.
Logistik: Was man vor dem Wracktauchen auf Gozo wissen sollte
Für die Karwela und Cominoland ist mindestens ein Advanced Open Water erforderlich. Für Penetrationstauchgänge oder tiefere Spots wie die Xlendi sind Wrack- oder Tec-Zertifikate nötig.
Empfohlene Ausrüstung:
- Twinset oder Sidemount
- Deko-Stages
- Haupt- und Backup-Taschenlampe
- Tauchcomputer mit Deko-Funktion
- DSMB & Spool
- Reel für Penetration
Tauchbasen bieten geführte Tauchgänge, Bootsfahrten und Gasmischungen an. Je nach Bedingungen erfolgt der Zugang vom Ufer oder per RIB. Die besten Tauchmonate sind April bis November, Wintertauchgänge sind wetterabhängig, aber möglich.
Sicherheit und Tauchprotokolle
Wracktauchen bringt Risiken wie Verheddern, Orientierungslosigkeit und Silt-outs mit sich. Penetrationen erfordern Line-Laying, Gasmanagement und Buddy-Checks. Besonders bei der Xlendi ist erhöhte Vorsicht geboten.
Zertifizierte Guides führen regelmäßig Sicherheitsbriefings durch. Im Notfall existiert ein Transportprotokoll zur Druckkammer in Malta, erreichbar per Fähre oder Helikopter.
Wracktauchkurse und Tec-Ausbildung auf Gozo
Gozo bietet eine Vielzahl an Weiterbildungsmöglichkeiten:
- PADI Wreck Diver
- TDI Intro to Tech, Advanced Nitrox
- IANTD Deko-Verfahren & Trimix-Kurse
Praktische Ausbildung erfolgt direkt an den Wracks. Zentren in Marsalforn und Xlendi verfügen über Trimix-Füllstationen, Tec-Leihinstrumente und Schulungskonzepte.
Nachhaltigkeit und Schutz von Gozos Unterwassererbe
Alle Wracks werden regelmäßig überwacht. No-Touch- und No-Take-Politiken sind Standard. Tauchbasen sensibilisieren ihre Gäste aktiv. Nature Trust Malta und lokale NGOs führen Fischzählungen und Riffanalysen durch.
Boote dürfen nicht an Wracks ankern – es gibt feste Bojen. Viele Tauchbasen bieten Clean-Up-Dives an und setzen auf umweltfreundliches Tauchen.
Nicht nur die Vielfalt und Qualität, sondern auch die Zugänglichkeit, Infrastruktur und Nachhaltigkeit machen Tauchen auf Gozo zu einem einzigartigen Erlebnis im Mittelmeer.







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